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Politischer Pentekostalismus

Die Beobachtung, dass der gegenwärtige politische Diskurs zunehmend religiös gefärbt wird, und zwar weltweit, ist aufschlussreich und ernüchternd zugleich. Zurückgeführt wird diese Tendenz meist auf ein neues politisches Bewusstsein und Engagement evangelikaler wie pfingstkirchlicher Akteurinnen und Akteure.

Solche politischen, religiös geladenen, postsäkularen Diskurse konstituieren dementsprechend den Forschungsgegenstand dieses Projekts, das sich vornimmt, insbesondere zweierlei zu eruieren. Zum einen drängt sich die Frage auf, wie sich derzeit das Spannungsfeld von Religion und Politik bildet, besonders im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Auseinandersetzungen dieser neuen Akteurinnen und Akteure mit ihren säkular oder nichtchristlich gesinnten Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Zum anderen gilt es zu erforschen, welches Selbstbild und welches (theologische) Weltbild durch ihr öffentliches Auftreten oder sozialpolitisches Wirken in der Öffentlichkeit vermittelt bzw. wahrgenommen werden, um das Phänomen überhaupt und angemessen erfassen zu können.
Vermittels einer von Experten in deren jeweiligen Kontexten durchgeführten Literaturstudie erstrebt das Projekt in einer ersten Phase eine religionssoziologisch und politikwissenschaftlich angelegte Sondierung der aktuellen Phänomenlage, um in einer zweiten Phase anhand dieser Grundlage eine systematische Erarbeitung einleiten zu können. Diese besteht hauptsächlich darin, einerseits das Phänomen auf die Tragfähigkeit seiner Zahlen/Statistiken, die Angemessenheit der dafür verwendeten Nomenklatur, die Möglichkeit globaler Vergleichbarkeiten usw. zu prüfen und andererseits die theologischen Begründungen und Motive zu durchleuchten, die diesem neuen Engagement zugrundeliegen. Besonders in den Blick werden dabei drei Länder genommen, in denen diese Entwicklungen stark ausgeprägt und wo etliche Gemeinsamkeiten festzustellen sind, nämlich Brasilien, Nigeria und die Philippinen.
Projekttitel

Politischer Pentekostalismus: Das neue gesellschaftliche Engagement der Pfingstkirchen und seine theologische Begründung

Projektträger

Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz

Projektleiter

P. Dr. Markus Luber SJ

Koordinator

Dr. Leandro Luis Bedin Fontana

Steuerungskreis

Prof. Dr. Margit Eckholt, Osnabrück
Prof. Dr. Andreas Heuser, Basel
Prof. Dr. Klaus Vellguth, Missio Aachen

Laufzeit

Dez. 2019 bis Dez. 2022

 

Status

Abgeschlossen

Fragestellung

Das Forschungsinteresse richtet sich auf das gewandelte Selbstverständnis pfingstkirchlicher Akteure, das sich mit einer verstärkten Präsenz auf dem sozialen (humanitären) und politischen Bereich äußert und vermutlich auf konkrete theologische Entwicklungen zurückzuführen ist. In manchen Ländern kann der unmittelbare Einfluss in Zivilorganisationen, Parteien und Regierungen registriert werden. Auswirkungen auf ökumenische Prozesse, auf die Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Staat, auf den Dialog mit anderen Religionen und säkularen Kräften unterstreichen die Tragweite bedeutender Verschiebungen innerhalb des Christentums.
Aus dieser Problemanzeige heraus stellen sich folgende leitende Fragen:

 

  • Welche Entwicklungen lassen sich innerhalb des pfingstlich-neocharismatischen Spektrums hin zu gesellschaftlichem und politischem Engagement beobachten? Welche Ziele werden dabei verfolgt und welche Methoden kommen zur Anwendung?
  • Wie repräsentativ (auch quantitativ) sind diese Entwicklungen innerhalb der Pfingstbewegung im internationalen Vergleich?
  • Wie wird das gesellschaftliche und politische Engagement theologisch begründet und inwieweit erweisen sich theologische Inhalte als handlungsleitend? In welchem Verhältnis steht die theologische Fundierung insbesondere zur katholischen Soziallehre?
  • Welche ethischen Anfragen erwachsen aus dem theologischen Begründungszusammenhang und welche Konsequenzen ergeben sich für katholisch-pfingstkirchliche Dialoginitiativen auf gesamt- und ortskirchlicher Ebene?

In der ersten Projektphase bedarf es einer Vergewisserung über die Ausgangssituation angesichts einer nach wie vor vagen Bestimmung der neuen Phänomenlage, die sich in abweichenden Typologien und einer Variabilität der Nomenklatur zu erkennen gibt. Aufgrund der Internationalisierung und der Organisationsstruktur der Pfingstbewegung erfolgt die Erfassung unter methodischer Rücksicht als makroanalytischer Vergleich, der auf bestehenden Studien aufbaut und stichprobenartig vorgeht. Die Realisierung dieses Schritts geschieht vermittels auf Asien, Lateinamerika und Afrika angelegter, regionaler Literaturstudien. Aufgrund einer ausgeprägten pfingstkirchlich-neocharismatischen Präsenz legt sich eine Schwerpunktsetzung auf Brasilien, Nigeria und die Philippinen nahe. Für die Durchführung dieser Literaturstudie sind ausgewiesene Expertinnen und Experten für die jeweiligen Kontexte eingebunden worden (s.u. „Ein internationales Team“).
In der zweiten Projektphase findet eine Auswertung der regionalspezifischen Literaturstudien durch die Projektstelle „Pentekostalismus“ am Institut für Weltkirche und Mission statt, die sich methodisch des systematisierenden Vergleichs bedient. Die Ergebnisse sollen im Rahmen eines Workshops mit dem Steuerungskreis diskutiert werden. Unter anderem sollen die von Soziologen und Religionswissenschaftlern vorgebrachten Zusammenhänge mit theologischen Erklärungen auf Stimmigkeit geprüft werden.
Die evaluative Diskussion schafft den Übergang zur dritten Projektphase, indem die Ergebnisse des Workshops die Planung einer internationalen Konferenz orientieren. Diese Konferenz wird als mehrtägige Veranstaltung mit Wissenschaftlern und Bischöfen der untersuchten Länder geplant. Das Ziel der Konferenz besteht zum einen in der Bekanntmachung und Diskussion der Studienergebnisse, die das Phänomen aus sozial-, religions- und politikwissenschaftlicher Perspektive beschreiben. Zum anderen stellen die Ergebnisse der Länder-Literaturstudien die Grundlage dar für einen Austausch der Verantwortlichen, vor allem aus den untersuchten Ortskirchen, um einer Bewertung und Einordnung der beschriebenen Entwicklung näher zu kommen, das Handlungsinteresse der katholischen Kirche zu reflektieren und Handlungsperspektiven aufzuzeigen.

 

Die Sicherung der Ergebnisse und ihre Multiplikation erfolgt durch die Erstellung einer Publikation als Tagungsband in der vierten Projektphase.

Entscheidend für die Durchführung dieses Projekt ist die Einbindung ausgewiesener regionaler Experten, die jeweils den kontextuellen sozial- und politikwissenschaftlichen Zugang zu diesem Phänomen gewährleisten.

 

 

 

 

Die Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für Weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz hat sich bereits seit den 1990er Jahren mit dem Phänomen der Pfingstkirchenbewegung innerhalb der forschenden Auseinandersetzung mit neuen religiösen Bewegungen beschäftigt (s. erste Veröffentlichung). Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte wurden etliche empirische und kontextspezifische Studien mit Bezug zu Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika durchgeführt.

 

Auch am Institut für Weltkirche und Mission zählte der Pentekostalismus bereits seit den Anfängen des Instituts zu den thematischen Schwerpunkten. Die erste Jahrestagung (2010) wurde bspw. von der Fragestellung geleitet, „Pentekostalismus – Anfragen an Theologie und Kirche“. Dementsprechend förderte das Institut im Laufe seines Bestehens etliche Forschungsprojekte zu diesem Thema.

 

Diese Bemühungen mündeten 2013 in eine von der Deutschen Bischofskonferenz geförderte, internationale Konferenz, in der die Studienergebnisse von Wissenschaftlern und Kirchenvertretern aus zwanzig Ländern diskutiert wurden. Dabei standen die differenzierte Wahrnehmung des Phänomens und die Suche nach den Gründen für die Attraktivität der Pfingstbewegung im Mittelpunkt. Sie waren Ausgangspunkt für Überlegungen zur Bedeutung der Forschungsergebnisse für die katholische Kirche und ihre Pastoral.

 

Weitere, kontextspezifische Konferenzen fanden 2016 in der nigerianischen Hauptstadt Abuja und 2018 in Guatemala-Ciudad statt. Auf Grundlage der Ergebnisse der Studien und der Tagungen entstanden wissenschaftliche Veröffentlichungen. Wiederholt wurde während der Zusammenkünfte das Engagement der Kirche in Deutschland würdigend hervorgehoben und der Wunsch nach Weiterführung der Auseinandersetzung mit der Thematik formuliert, da sich die pentekostale Phänomenlage im beständigen Wandel befinde. Insbesondere wurde als Desiderat vorgebracht, „dass in Zukunft auch vertieft theologische Fragen diskutiert werden“, um pentekostale Christen besser zu verstehen und sich ihnen gegenüber angemessener positionieren zu können (Eckholt 2019, 11). Das vorliegende, am Institut für Weltkirche und Mission formulierte Projektvorhaben will diesen Faden der theologischen Auseinandersetzung aufgreifen und zugleich neue Entwicklungen des sozialen und politischen Engagements innerhalb der Pfingstbewegung in den Blick nehmen.

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